Die Sprichwörter des abchasischen Volkes.

Zusammengestellt von Pope Wladislav aus den Sammlungen von D. Gulia, Sch. Inal-ipa, Sch. Kamkija und Prof. Oleg Schamba.

Die abchasische Sprache ist biegsam und tonreich, sie drückt in gleichem Maße nicht nur den feierlichen Ton eines erhabenen Pathos aus, sondern auch das Gehör mit bildhaften Wendungen ergötzt. Wie die fürchterlichen Laute der Natur, so auch die Melodie des stillen Lufthauches, das Rieseln einen kleinen Baches, Kummer und Freude, Zorn und Liebkosung, Leidenschaft und Zartheit finden in dieser Sprache ihren Niederschlag..

Suchum 2002 , K. Matschawariani.


Von der Heimat und dem Volk.

Die Heimat ist mehr wert als Gold.

Wer die Heimat verliert, der verliert alles, glücklich ist nur derjenige, der in der Heimat lebt.

Jeder Hund ist in seinem Hof mutig.

Der Frosch will, dass sein Sumpf der größte ist.

Jeder Vogel liebt sein Nest.

Dein eigenes Häuschen ist besser als ein fremder Palast.

Wer seine Heimat verliert, gleicht einem Vogel ohne Flügel.

Wer keine Heimat hat, hat auch keinen Gott.

Wer sein Leben für die Heimat hingibt, macht sich unsterblich.

Der Weg zur Heimat ist der kürzeste.

Die Heimat ist die eigene Mutter, das fremde Land aber die Stiefmutter.

Ohne Augen kann man leben, ohne Heimat wird man sterben.

Die Heimat kann an dir einbüßen, du aber darfst nicht sie verlieren.

Wer seine Heimat nicht liebt, der kann nichts lieben.

Das Land wo du geboren bist, ist ein Paradies.

Jedes Vögelchen hat sein Nesthäkchen lieb.

Für deine Heimat und dein Volk schone keine Kräfte.

Wer sein Volk liebt, den gefährdet keine Kugel.

Das Volk ist ein Quell der Weisheit.

Wehe dem Volk, das von seiner Jugend nicht geachtet wird.

Der schlechte Sohn gehört den Eltern, der gute Sohn aber dem ganzen Volk.

Wenn das Volk einig ist, ist es unbesiegbar.

Einigkeit macht stark.

Es gibt keinen Wald ohne schiefe Bäume.

Die Einigkeit des Volkes gebärt den Sieg.

Das Dorf, wo viele kluge Menschen leben, ist reich.



Von der Freundschaft.

Zwei Hände sind stärker als eine.

Man erkennt den Freund besser, wenn er zornig ist.

Ist dein Vater gestorben, so verliere seine Freunde nicht.

Ein unzuverlässiger Freund ist schlimmer als ein Verräter.

Erkenne den Freund bevor du dich auf den Weg machst, den Nachbar aber, bevor du beginnst das Haus zu bauen.

Wenn man an einem friedlichen Ort wohnen will, muss man sich die richtigen Nachbarn auswählen.

Der Baum steht dank den Wurzeln, der Mensch lebt dank den Freunden.

Ein guter Freund ist besser als ein schlechter Bruder.

Das Wasser von Freunden ist süßer als der Honig vom Feinde.

Wenn du den Menschen schlecht kennst, sollst du ihn nicht loben und nicht rügen.

An dem Menschen den man liebt, bemerkt man keine Mängel.

Wenn dein Freund zu einem brennenden Hemd wird, wirf es nicht ab.

Ein Mann kommt für einen Freund um, eine Frau aber für ihren Geliebten.

Wer den Freund verrät, schafft sich einen Feind.

Der Fisch wird im Wasser groß, der Mensch unter Freunden.

Wer dich liebt, gibt dir gute Ratschläge.

Wer deinen Feind liebt, kann dich nicht lieben.

Die einige Pferdeherde kann kein Wolf gefährden.

Eine Hand wäscht die andere, beide aber das Gesicht.

Liebst du einen Freund, so dulde auch seine Mängel.

Wer die Freundschaft nicht schätzt, den wirft der Feind nieder.


Von der Arbeit.

Arbeit ernährt den Menschen, Faulenzen verdirbt ihn.

Arbeit bringt Brot, Faulenzen Hungersnot.

Besser umsonst laufen, als umsonst sitzen.

Sich Regen bringt Segen.

Willst du Ruhm ernten, so achte die Arbeit.

Bevor du das Brot bäckst, sollst du es kneten.

Was rechtzeitig gesät ist, geht rechtzeitig auf.

Das Werk rühmt den Meister.

Der Stein der rollt, bemoost sich nicht.

Rollende Steine bemoosen sich nicht.

Raste ich, so roste ich.

Wer ohne Ziel lebt, der endet schlecht.



Von Liebe und Güte.

Wo keine Eintracht ist, da ist kein Glück.

Eintracht ernährt, Zwietracht verzehrt.

Tue Gutes und wirf es ins Wasser, es geht nicht verloren.

Wer Gutes tut, wird stets belohnt.

Die Mutterliebe hat keinen Preis.

Was man im Herzen hat, liest man in seinem Gesicht.

Eine schöne Frau suchen die Männer, eine hässliche aber sucht selbst Männer.

Böses tun ist kein Heldentum. Heldentum ist Gutes tun.

Liebe verbirgt viele Mängel.

Keinem ist sein Liebchen ungestalt.

Die Augen sind der Spiegel des Herzens.

Gutes getan, sich belohnt.



Vom Verstand und der Dummheit.

Weisheit hat Grenzen, Dummheit ist grenzenlos.

Verstand ist eine unentbehrliche Bedingung des Glückes.

Bildung ist ein Gast, Verstand aber ein Hausherr.

Nicht der ist dumm der auf dem Dachboden Mais sät, aber der, der ihm dabei half.

Wenn man den Narren lobt, beginnt er zu prahlen.

Eines der Merkmale der Weisheit ist Geduld.

Weisheit ist Verstand, der auf dem Gewissen angesetzt ist.

Der Rabe sah den Menschen und dachte „wenn er Klug ist, schießt er auf mich nicht, wenn er dumm ist, trifft er mich nicht.“

Sich als Klug aufspielen ist besser, als sich dumm stellen.

Fürchte nicht denjenigen der droht, habe Angst vor dem der prahlt.

Die Wahrheit kann den Toten wiederbeleben.

Der Narr sagt auch manchmal die Wahrheit.

Wenn der Kluge irrt, freut sich der Narr.

Besser ein kluger Feind, als ein dummer Freund.

Der Narr ist klug, solange er schweigt.

Zwei Kahlköpfige zanken sich wegen des Kammes.

Den Narren darf man nicht loben, sonst wird er überheblich.

Der Verstand des Menschen ist ein Zaum der Zunge.



Von Kühnheit und Feigheit.

Wer den Zaren stoßen mag, der fürchtet den Henker nicht.

Wer sich auf seine Kraft verlässt, der droht Niemanden.

Der Feigling fürchtet sein Herzklopfen.

Der erschreckte Hund bellt die Sterne an.

Das gebrannte Kind scheut das Feuer.

Der Kühne verfehlt nicht das Ziel.

Den Helden kennt das Volk besser als seine Familie.

Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande.

Eine Mücke besiegt auch manchmal einen Löwen.

Wenn ein großer Baum fällt, greifen alle Menschen nach dem Beil.

Als der alte Baum zu Boden fiel, fielen die Ameisen darüber her.

Manchmal besiegt ein kleiner Habicht einen großen Hahn.

Dem Brand entlaufen, ins kochende Wasser gefallen.

Aus dem Regen in die Traufe kommen.



Von der Menschenwürde.

Wo Verstand ist, das ist auch Ehre.

Die Menschlichkeit ist unmessbar.

Ein gutherziger Mensch hat Mitgefühl auch mit Armseligen.

Wer Geduld hat, der wird lange leben.

Die Welt ist dank der Sonne schön, der Mensch aber dank dem Wissen.

Wer nichts schlechtes erlebt hat, der kann nichts Gutes schätzen.

Wer dich liebt, soll die Mängel deiner Frau nicht verhehlen.

Wer nie zu Gast war, der kann keine Gäste empfangen.



Von Eltern, Kindern und der Familie.

In der eigenen Familie gibt es keine Missgeburt.

In einer kinderreichen Familie vertrocknet keine Brotrinde.

Für die Mutter ist das Schielen ihres Kindes am schönsten.

Die Eltern leben für die Kinder, die Kinder aber für sich.

Sogar ein einziger Sohn verliert nicht die Erbschaft.

Die Ohrfeige der Mutter lässt auf der Wange keine Spuren zurück.

Nur mit Liebkosungen kann man keine Kinder erziehen.

Wenn die Eltern nur ein einziges Kind haben, geben sie ihm hundert Namen.

Eine schöne Frau können nur ihr Gewissen und ihre Ehre bewahren.

Eine Frau ohne Mann ist immer unzufrieden und zänkisch.

Die Geheimnisse des Ehepaares kennt nur das Kopfkissen.



Sprache und Wort.

Die Muttersprache ist eine liebkosende Mutter.

Die Muttersprache ist eine Arznei.

Wer eine lange Zunge hat, der hat wenig Kraft.

Auch das Wort hat ein Mass.

Sag ein Wort demjenigen, der es schätzt.

Die Zunge ist ein Vermittler des Herzens.

Was mit mir geschehen ist, ist meiner Zunge schuld.

Die Schlange ändert wohl die Haut, aber die Zunge nie.

Der Wolf ändert wohl das Haar, doch bleibt er wie er war.

Die Zunge bringt einem Ruhm und Schande.

Die Zunge ist kein Messer, aber sie hat Hunderte in das Grab gebracht.

Zuerst erfahre wer dir zuhört, erst dann beginne deine Rede.

Ein gutes Wort braucht einen guten Zuhörer.



Fehler und Mängel

Wer seine Mutter verschmäht hat, der wird ohne Tränen begraben.

Der Geizige kann klug und begabt sein, aber nicht bezaubernd.

Ein Jammerlappen hat einen großen Ehrgeiz.

Ein Büffeldieb und ein Nageldieb sind beide Diebe.

Wer auf niemanden Rat hört, ist so gut wie ein gesprungenes Geschirr.

Der Faulenzer hat bei der Arbeit kurze Hände.

Wenn ich hungrig bin kann ich nicht arbeiten, wenn ich satt bin, bin ich müde.

Wenn der Kluge sich irrt, denkt man, dass er scherzt.

Hochmut ist Wahnsinn. Hochmut kommt vor dem Fall.

Auch die Kröte hofft darauf, dass sie zahnen wird.

Wen das Volk nicht ehrt, den lehnt Gott ab.



Gesundheit, Jugend, und Alter.

Wer seine Jugend in Müßiggang verbracht hat, der wird im Alter reuen.

Gebärst du einen Sohn im Alter, so kannst du ihn nicht erziehen.

Mäßigkeit in allem ist die beste Arznei.

Die Jugend lebt von ihren Hoffnungen, die Alten aber von ihren Erinnerungen.

Junge Leute sind durch ihre Kraft stark, alte aber durch ihren Verstand.

Wer nicht krank ist, der schätzt die Gesundheit nicht.



Die Abchasen raten......

Zuerst sieh wer dir zuhört, erst dann beginne deine Rede.

Zuerst schaue auf deine Bettdecke, erst dann strecke deine Beine aus.

Strecke dich nach der Decke.

Wenn du den Menschen schlecht kennst, sollst du ihn nicht loben oder beschimpfen.

Spotte nicht über den Weinschlauch, wenn du nicht weißt was drin ist.

Schlage dich nicht mit dem Bootsmann, wenn er dich über einen Fluss setzt.

Der Junge der vom Esel gefallen ist, muss man nicht auf das Pferd setzen.

Fürchte mehr den Richter als das Gericht.

Bei der Brautwahl frag nicht um Rat bei den Junggesellen.

Tue Gutes ohne Anmaßung.

Der Baum in dessen Schatten du sitzt, fällt nicht.

Verdirb es dir nicht mit Leuten, die du noch brauchen kannst.

Sogar den Stier den du schlachten sollst, musst du vorher trinken lassen.



Die Abchasen sind überzeugt dass........

Die Hand weis wo der Mund ist.

Der Narr sagt manchmal die Wahrheit

Kinder und Narren sagen die Wahrheit.

Um eine schöne Frau zu behüten, muss man eine strenge Stiefmutter haben.

Der Mensch schätzt nicht das was er hat.

Was auf einen Tag aufgeschoben ist, wird auf hundert Tage verschoben.

Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.

Was ein blinder Mensch haben möchte, das sind Augen.

Wer sich keinen Nutz erbringt, kann nicht anderen nützlich sein.



Die Abchasen sagen auch.....

Man kann die Krähe mit Seife waschen, aber sie bleibt schwarz.

Der krumme, aber der bekannte Weg ist kürzer, als der Gerade aber Unbekannte.

Sogar ein Stein platzt, wenn man ihn zum Glühen bringt.

Das Huhn kann nur Eier legen.

Wohin auch der Fuchs geht, es folgt ihm sein Schwanz.

Sogar der Frosch will, dass sein See am Größten ist.

Die Katze die miaut, kann keine Mäuse fangen.

In das Gefängnis zu kommen ist leicht, aus dem Gefängnis entlassen zu werden ist schwierig.

Liebkose den Hund, aber wirf nicht den Stock hin.

Fürchte eine böse Frau mehr als einen bösen Mann.

Dahin, wo man sich amüsiert, eile nicht, dahin aber wo Not ist, beeile dich.

Die Pappel wächst hoch, aber Niemand hat ihre Früchte gegessen.