Die Kultur der Abchasen

 

Vorwort

 

In dieser schriftlichen Ausarbeitung werde ich versuchen, die Kultur der Abchasen so prägnant wie möglich vorzustellen. Zu meinem Bedauern habe ich feststellen müssen, dass es in sehr geringem Maße deutschsprachige Quellen/Literaturen gibt, die diese Thematik aufgreifen und veranschaulichen. Aus diesem Grunde war ich auch gezwungen überwiegend im Internet zu recherchieren.

 

Anlass zur Auswahl dieser Themenstellung ist meine annähernd fünf jährige Ehe mit meinem abchasischen Lebensgefährten. Ich selbst bin Türkin und bin, obgleich ich hier in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, mit den Bräuchen und Traditionen der türkischen Gesellschaft sehr vertraut.

 

Meine Eltern, die als Gastarbeiter (Vater im Jahre 1970; Mutter im Jahre 1972) nach Deutschland kamen, suchten nach einem Weg, sich im Aufnahmeland zu integrieren, ohne ihre eigene Identität und Kultur dabei aufzugeben. Hierbei war es besonders wichtig, auch den Kindern ihre persönliche Gesellschaftsform zu vermitteln und sie traditionsbewusst zu erziehen.

 

Zu Beginn meiner Ehe ging ich davon aus, dass zwischen der türkischen und der abchasischen Kultur kaum Unterschiede bestehen würden,...

 

Erst das Seminar „interkulturelle Sozialpädagogik und systemisches Denken und Handeln“, das ich in Politikwissenschaft belegte und besuchte, gab mir einen Anstoß, mich mit der Kultur der Abchasen auseinanderzusetzen. Schlagartig überkam mich der Drang, die Abchasen wahrhaftig kennen zu lernen, mich eingehend mit ihrer Kultur, ihrer Lebensform und Lebensbedingungen zu beschäftigen, um diese Menschen und ihre Handlungsweise effektiv verstehen und nachvollziehen zu können.

 

1  Zum Kulturbegriff   (allgemein)

 

„Kultur“ ist ein oftmals verwendetes Wort- ein abstrakter Begriff, dessen Intension vieldeutig ist. Er begegnet uns in der Alltags- wie auch in der Fachsprache sehr häufig.

 

Es herrschen unterschiedliche Kulturtheorien beieinander, die auf denselben Begriff mit verschiedenen Auslegungen zurückgreifen, infolgedessen ist es problematisch, die Essenz von Kulturtheorien verschiedener Wissenschaften auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten wird der Kulturbegriff so weit es möglich ist, vorgestellt und eingegrenzt. Kultur ist etwas, das vermischt wird mit Sprache, Geographie, Geschichte, Religion, sozialen Klassen usw.

 

Unsere Kultur beeinflusst wer wir sind und wie wir Verhalten sehen. Für die Gesellschaft bedeutet Kultur das, was das Gedächtnis für einen Menschen bedeutet. Kultur zeigt, was sich in der Vergangenheit als geeignet erwiesen hat, wie die Welt funktioniert und wie man sich verhalten soll.

 

Herskovit definiert Kultur als den von Menschen gemachten Teil der Umwelt. Diese Definition ist sehr allgemein. Es lässt sich jedoch ein objektiver Aspekt (Werkzeuge, Straßen, Radiostationen) und ein subjektiver Aspekt von Kultur (Kategorisierung, Normen, Rollen, Werte) unterscheiden. Bei der Analyse der subjektiven Kultur geht es um die Art und Weise, wie Menschen verschiedener Kulturen ihre Umwelt wahrnehmen. Die Elemente der subjektiven Kultur sind in verschiedene Muster aufgebaut. Hierbei lassen sich einige generelle Schemata erkennen, die auf alle Kulturen angewendet werden können. Diese nennt man kulturelle Syndrome:

 

- Komplexität:        Manche Kulturen sind komplexer beschaffen als andere

- Individualismus: Einige Kulturen strukturieren soziales Erleben um autonome Individuen

- Kollektivismus:   Einige Kulturen organisieren ihre subjektive Kultur um ein oder mehrere Kollektive, wie Familie, Stamm,  religiöse Gemeinschaft oder Nationalität

- Rigidität:             Manche Kulturen geben viele Regeln und Normen des sozialen Verhaltens vor, andere weniger

 

Wir sind uns unserer Kultur nicht bewusst, bis wir in den Kontakt mit anderen Kulturen treten. Bei der Beobach- tung verschiedener Kulturen, ist es hilfreich zu wissen, dass wir die Welt weniger so „wie sie ist“ sehen, als vielmehr so „ wie wir sind“.

 

Unsere Erfahrungen beeinflussen unser Urteil bzw. unsere Wahrnehmung. Wir beurteilen manche Dinge anders, weil unser Adaptionsniveau im Vergleich zu den anderen niedriger oder höher ist.

 

1.1  Kultur: ein Zusammenspiel zwischen Gleichheit und Verschiedenheit

 

Menschen unterscheiden zwischen freundschaftlichen und distanzierten Verhaltensweisen. Sie differenzieren zwischen unterordnendem und dominantem Verhalten. Und sie verstehen den Unterschied zwischen Intimität und Formalität.

 

Oft gehen wir davon aus, dass wir alle gleich oder alle verschieden sind. Die Tendenz zur Generalisierung, die sich hier zeigt, ist typisch für uns Menschen. Alle Menschen haben eine Sprache, Essgewohnheiten, Kunst, Mythen, religiöse Praktiken, Familienstrukturen etc. Der Unterschied liegt in den Einzelheiten. Zwar haben alle Menschen Essgewohnheiten, aber was sie essen, wie sie es essen, usw. ist unterschiedlich. Diese Einzelheiten kultureller Unterschiedlichkeit sind für das Verstehen sozialen Verhaltens von großer Bedeutung.

 

1.2 Kulturelle Elemente

 

Kultur setzt sich aus den unterschiedlichsten Komponenten zusammen:

-     Traditionen, die sich in der Vergangenheit als erfolgreich zeigten und den Menschen in der Gegenwart denkbare, Erfolg versprechende Verhaltensmuster vorweisen.

-     Bräuche, die für die Voraussagen über das soziale Umfeld nützlich sind. Nimmt man z.B. an einem Anlass teil und kennt zuzüglich die Bräuche, dürfte es einem nicht schwer fallen angebracht aufzutreten.

-      Normen, die Richtlinien für angemessene Verhaltensweisen in bestimmten Lebenslagen darlegen.

-     Werte, die den Maßstab angeben, an dem sowohl das eigene Verhalten, als auch das der anderen bewertet werden kann.

-      Mythen, die die Vergangenheit auf überzeugende Weise verdeutlichen.

 

Weitere Elemente wie Kleidung, technische Erfindungen, wirtschaftliche Aktivitäten, soziale Verhaltensweisen, Religion, Politik, Sprache, Erziehung usw. sind ebenfalls relevante Bestandteile einer Kultur.

 

Resümierend lässt sich sagen, dass die Kultur sich entwickelt und modifiziert. Sie bietet ein Orientierungssystem  nach dem die Menschen agieren können. Eine Veränderung der Kultur geschieht nicht nur über den Austausch zwischen heterogenen Kulturen, sondern genauso durch die Assimilation an Strukturveränderungen.

 

„Die Bedeutung kultureller Elemente für die Gesellschaft, für eine Klasse oder soziale Gruppe ist Reflex ihrer Lebensweise unter historisch spezifischen Verhältnissen“.1

 

Die Kultur einer Gesellschaft ist demzufolge ein sich veränderndes und entwickelndes Orientierungssystem. Sie beruht auf Traditionen, die von den Individuen der gleichen Kultur in ähnlicher Weise ausgelegt wird. Eine Differenz von verschiedenen Kulturen wird durch die Unterschiede in Orientierungen (Normen, Werte, Traditionen, Religion etc.) sichtbar.2

 

 

2    Die Kultur der Abchasen

 

Nachdem der allgemeine Begriff der Kultur abgehandelt und deren relevante Bestandteile angeführt worden sind, soll im Folgenden die Kultur der Abchasen so prägnant wie möglich vorgestellt und erläutert werden. Doch zunächst möchte ich veranschaulichen, was genau die Abchasen kennzeichnet und welcher Volksgruppe sie eigentlich zugehören:

 

2.1   Die Abchasen

 

Die rund 87000 Abchasen (laut Brockhaus), die sich selbst „Apsua“ nennen, gehören zu den ältesten Völkern des Kaukasus. Sie sind mehrheitlich sunnitische Moslems, nur eine Minorität bekennt sich zum orthodoxen Christentum. Als nordwestkaukasisches Volk zählen sie zur abchasisch-adygeischen Sprachgruppe. Erst seit 1865 existiert eine abchasische Schriftsprache, die ab 1932 auf der Basis des Lateinischen, ab 1938 des Georgischen und ab 1954 des Russischen geschrieben wurde. Die Kultur der Abchasen ist nicht vergleichbar mit den der Turkstaaten oder der sogenannten Beduinen, da sie schon immer im Kaukasus sesshaft waren.

 

Ein großer Teil der Abchasen wanderte nach Unterwerfung durch die Russen im Jahre 1864 in die heutige Türkei aus, die die zurückblieben, wurden von den Russen versucht zu assimilieren, was jedoch nicht erfolgreich war. Sie trotzten allen, die im Kaukasus die Herrschaft übernahmen.

                                                                                                

Die Abchasen sind ein sehr altes, überaus aktives und stolzes Volk. Ihre belangvollste Eigenschaft  ist ihre Liebe zu Angehörigen ihres eigenen Volkes. Sie lebten in Großfamilien, in denen ihre Sitten bzw. Bräuche wie zum Beispiel die unermessliche abchasische Gastfreundschaft sowie die Erziehung adliger Jungen in schlichten und bescheidenen Bauernfamilien über viele Jahrhunderte unnachgiebig aufrechterhalten wurden. Einstmals zählten Blutrache und Brautraub ebenfalls zu den bedeutenden Sitten, die bei den Abchasen weit verbreitet waren. Sie scheinen mit den West-Georgiern eng verwandt zu sein.

 

Die Abchasen befassen sich seit jeher mit dem Ackerbau und der Viehzucht. Unter anderem betreiben sie den Anbau von Wein, Tabak und Melonen. Gemäß Iskander wurde abchasischer Honig schon in der Antike bis nach Konstantinopel verkauft.

 

Bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes lässt sich sagen, dass die Abchasen überwiegend dunkle Haare und Augen aufweisen. Blonde oder rothaarige Abchasen sind eher selten vorzufinden.

 

2.2   Kultur (Bildung) und Bräuche

 

Zu den bedeutendsten und angesehendsten Literaten Abchasiens gehören Fasil Iskender und Dirmit Gulia, deren ausdrucksvolle literarischen Werke in über fünfzig Sprachen übersetzt worden sind.

 

Weiterhin erregen die Nartaa, die seit mehreren Jahrzehnten für ein Tanz- und Gesangsensemble stehen, große Aufmerksamkeit. Dieses Ensemble besteht nur aus Männern, die über siebzig Jahre alt sind. Die Voraussetzung für die Eingliederung in diese Gruppe ist, dass man von männlichem Geschlecht und vierzig Jahre alt ist, aber um öffentlich auftreten zu können, darf der Teilnehmer nicht unter siebzig sein. Damals lag die Grenze noch bei neunzig Jahren, da aber viele ältere Menschen den Krieg zwischen Abchasien und Georgien nicht überstanden, wurde das Aufnahmelimit auf siebzig Jahre reduziert. Zuschauer, die dieses außergewöhnliche Ensemble erlebten, berichten, dass die Mitglieder trotz ihren hohen Alters mit so einem Elan sangen und tanzten, dass sie das Publikum mitrissen.

 

Schließlich sorgen die traditionellen abchasischen Tänze in geselligen Runden oder auf Festveranstaltungen für eine prächtige und stimmungsvolle Atmosphäre. Die Abchasen pflegen diese Tänze mit einer unverwechselbaren Liebe. Der „Apsua kuaschara“ Tanz ist einer der ältesten Tänze der Welt und wird von einem Mann und einer Frau in abchasischer Tracht bekleidet, getanzt. Bei den abchasischen Tänzen, so heißt es, spiegeln sich die Charakterzüge der Abchasen wider. Die Tanzbewegungen der Männer mit erhobenem Haupt demonstrieren deren Respekt vor der Frau und ebenso ihr stolzes und aufrichtiges sowie kämpferisches Wesen. Gleichzeitig führen die Frauen rhythmische und weiche Schwingungen vor.3

 

2.3   Die Sprache

 

Das Abchasische einschließlich der nah verwandten Sprachen (Abasinischen, Ubychischen-Päkchi-Sprache, adygeischen und kabardinischen Sprachen) bildet die westkaukasische (abchasisch-adygische) Sprachgruppe.

Die Abchasische Sprache wirkt auf Fremdlinge äußerst kompliziert.

 

P.K.Uslar, der Verfasser des ersten abchasischen Alphabets, schrieb über die Schwierigkeiten dieser Sprache folgendes: „ Nicht nur die Europäer, sondern auch die Kaukasier halten die abchasische Aussprache für die Schwierigste. Einen sonderbaren Eindruck macht diese Sprache auf denjenigen, der sie zum ersten Mal hört... Von dem Abchasischen kann man sagen, dass es einem an das Insektensummen erinnert.“

 

Das Abchasische Alphabet setzt sich aus 58 Buchstaben zusammen, wovon sechs Vokale sind. Es herrschen etwa 80 verschiedene Einzellaute, die von dem jeweiligen Dialekt abhängig sind. Desweiteren existieren fünf Arten von Mitlauten: Lippenlaute, Gaumenlaute, Stimmritze, Hauchlaute und in acht Positionen gestimmte Artikulationen.

 

Aufgrund dieser Vielfältigkeit fällt den Abchasen der Umgang mit anderen Sprachen sehr leicht. Von Kind auf eignen sie sich die Aussprache in allen Variationen an.

 

Ferner stellen die Linguisten fest, dass abchasisch, trotz intensiver Berührungen mit anderen Kulturen, über die Jahrhunderte beachtenswert unwesentliche Veränderungen erkennen lässt.4

 

3   Wo lebten die Abchasen

 

In den nächsten Kapiteln soll genau beschrieben werden, aus welchem Territorium dieses uralte Volk abstammt.

 

3.1    Der Kaukasus

 

Die Kaukasus-Region, in der insgesamt (abgerundet) 22 Millionen Menschen leben, besteht aus vier selbständigen Staaten mit mehreren Autonomen Gebieten. Der Norden des Kaukasus gehört zu Russland mit den Russischen Republiken Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien, Nord-Ossetien und Kabardino-Balkarien. Zudem gehören die Autonomen Gebiete der Karatschaier und Tscherkessen sowie die Bezirke Stawropol und Krasnodar zum Kaukasus. Im Westen liegt Georgien mit der autonomen Republik Abchasien. Im Süden stoßt man auf Armenien und Aserbaidschan.

 

Der Kaukasus ist durch eine Vielzahl an ethnischen Gruppen gekennzeichnet. Kein Gebiet der ehemaligen Sowjetunion umfasst soviel religiöse und ethnische Konflikte wie der Kaukasus. Dies ist eine Folge von langer Zeit unterdrückten Konfliktpotentials. Die zum Teil islamisierten und christianisierten Völker im Kaukasus wurden in der Vergangenheit immer wieder Opfer willkürlicher Grenzziehungen, an deren Ende nationale Minderheiten, Regionen anderer Völker bewohnen mussten.

 

Die Geschichte des Kaukasus bestand schon immer aus einer Abfolge von blutigen Kämpfen und grausamen Eroberungskriegen.

 

Unglücklicherweise führten diese Konflikte nie zu dauerhaften Kompromissen, die von allen Konfliktparteien akzeptiert werden konnten. Territoriale Ansprüche und historisches Unrecht blieben im Gedächtnis vieler Völker haften.

 

3.2 Abchasien

Die autonome Republik Abchasien mit der Hauptstadt Suchumi liegt im Westen Georgiens und erstreckt sich vom Schwarzen Meer in den Kaukasus. Das Land umfasst eine Fläche von etwa 8700 km² (ca. halb so groß wie Nordrhein-Westfalen).

 

Der Norden und der Osten des Landes ist von den Kaukasischen Bergen umgeben, die in etwa 4000 Meter hoch sind und zudem die Grenze der Republik Abchasien zu Russland und Georgien bilden. Im Süden stößt das Land an das Schwarze Meer, im Westen und Osten ist es von den Flüssen Psou und Inguri abgegrenzt.

 

Sowohl die aufragenden Berge, als auch das Meeresniveau bewirken unter anderem ein enges Nebeneinander von extremen Klimazonen und eine bezaubernde sowie bunte Tier- und Pflanzenwelt.

 

Es gibt nur zwei Städte in Abchasien: Die Hauptstadt Suchumi und das Industriezentrum Tkvartscheli. Daneben existieren drei städtische Badeorte: Gagra, Gudauta sowie Otschamtschira. Abchasien war immer ein Vielvölkerstaat.6

 

3.2.1 Die Bevölkerung und ethnische Zusammensetzung von Abchasien

 

  1886

    1897

   1926

   1939

   1959

   1979

   1989

   1996*

Abchasen

59.000

  58.700

  55.900

  56.200

  61.200

  83.100

  93.300

125.000

Georgier

  4.000

  25.700

  67.500

  92.000

158.200

213.300

239.800

  85.000

Russen

  1.000

    6.000

  20.500

  60.200

  86.700

  79.700

  74.900

  36.200

Armenier

  1.300

    6.500

  30.000

  49.700

  64.400

  73.300

  76.500

  35.700

Griechen

  2.000

    5.400

  27.100

  34.600

    9.000

  13.300

  14.700

    2.500

Andere 

  1.500

    3.900

  11.000

  19.200

  25.200

  23.400

  25.800

  20.500

Summe

68.800

106.200

212.000

311.900

404.700

486.100

525.000

304.900

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 *Dies sind abgeschätzte, annähernde Angaben! (Quelle: Abchasischer Kulturverein e.V.)

 

Bis 1992 lebten ungefähr 540000 Menschen in Abchasien. Ca. 18 % der Bevölkerung waren Abchasen und die übrigen Russen, Georgier, Griechen sowie Türken und Armenier, die sich nach politischen Veränderungen und Invasionen in ihrer Heimat ansiedelten. Sie wurden nie assimiliert und lebten mit den Abchasen versöhnlich und friedvoll zusammen. Im Gegensatz zu den Russen und anderen Ansiedlern, die danach streben, die städtischen Regionen zu bewohnen, ziehen es die Abchasen vor, weitgehend in den Dörfern zu leben. Sogar die Abchasen, die in den Städten ihren Wohnsitz haben und erwerbstätig sind, betrachten die Dörfer als ihr Zuhause, auch wenn sie sich nur sporadisch dort aufhalten.

                                                                                                               

3.2.2 Zur Geschichte Abchasiens

 

6.Jahrhundert v.Chr. bis 4.Jahrhundert n.Chr. - Antike (Kolchidische) Periode

 

Im 6.Jahrhundert v.Chr. werden größere Gebiete des Kaukasus und die Nordküste des Schwarzen Meeres von den Griechen besiedelt und zuzüglich mit dem Namen „Kolchis“ betitelt. Ferner wird Dioskuria, die heutige Hauptstadt Suchumi gegründet.

 

Im 1.Jahrhundert v.Chr. überfallen die Römer das Land und verjagen die griechischen Kolonialisten. Im Folgenden benennen sie die Stadt Dioskuria in Sewastopolis um. Es missglückt ihnen jedoch, Abchasien gänzlich zu unterwerfen.

 

Im 3.Jahrhundert werden große Anteile des Landes durch Okkupationen der Skythen und Allanen aus dem Norden zerstört.

 

4. bis 6.Jahrhundert - Periode des frühen Feudalismus

 

Im 4.Jahrhundert wird Abchasien Teil des Königreiches von Lazika. Justinian I. unterwirft die Ostküste des Schwarzen Meeres der byzantinischen Macht.

 

Im 6.Jahrhundert werden die Abchasen zum Christentum bekehrt.

 

Ende 7. bis Ende 10.Jahrhundert - Abchasisches Reich

 

Die Abchasischen Stämme vereinigen sich zum Abchasischen Königreich und überdies verleiben sie die West-Georgischen Territorien ein.

 

Ende des 8.Jahrhunderts erlangt der damalige König Leon II. absolute Unabhängigkeit von Byzanz. Somit erzielt Abchasien die stärkste Macht im Kaukasus.

 

989 ist das Land angesichts innerer Unruhen und Aufstände äußerst geschwächt. Infolgedessen unterliegt es daraufhin dem Königreich der Bagratiden (dem benachbarten Georgien).

 

13. bis 15.Jahrhundert

Italienische Handelsstationen werden der Schwarzmeerküste entlang gegründet.

Im 15.Jahrhundert kommt es zum Niedergang des Georgischen Königreiches, so dass Abchasien erneut unabhängig wird.

 

Ende 16. Bis 19.Jahrhundert – Türkenjoch

 

1578 steht Abchasien unter dem Einfluss des Osmanischen Reiches und wird folglich zur türkischen Schutzherrschaft. Die Türken verwüsten, plündern das Land und unterdrücken die Bewohner. Außerdem wird die Bevölkerung islamisiert und die Stadt Sewastopolis in Suchum-Kale umbenannt.

 

 

19. bis Anfang 20.Jahrhundert - Periode russischer Vorherrschaft

 

Im Jahre 1810 vereinigt sich Abchasien mit Russland. Anschließend kommt es zu etlichen Kriegen zwischen Russland und der Türkei, aber auch zu Aufständen der Abchasen gegen die zaristische Kolonialpolitik. Als Held der nationalen Freiheitsbewegung geht Schamil, Imam von Daghestan hervor.

 

Ab 1864 (Ende des Kaukasischen Krieges) emigrieren etwa 70% der Abchasen zwangsweise in die Türkei. Viele sterben schon während der Durchreise. Sämtliche Gebiete verkommen und das Volk droht auszusterben. Erst in den achtziger Jahren fangen die Abchasen an, in die Dörfer heimzukehren.

 

Abchasien im 20.Jahrhundert

 

Im Oktober 1917 erfolgt die Russische Revolution und die Gründung der Sowjet-Macht. 1921 besitzt Abchasien den Status einer selbständigen Sowjetrepublik.

 

1929 beginnt in Abchasien gegen den Widerstand der Bevölkerung die Kollektivierung. Abchasien wird durch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges (Verarmung und Minderung der Bevölkerung) gegen Georgien, den sie zwar gewonnen hatten, gezwungen, mit Georgien ein Bündnis zu schließen.

 

Im Jahre 1931 wird Abchasien gegen den Willen der Abchasen als Autonome Republik der Sowjetrepublik Georgien eingegliedert.

 

1936-1953 ist das Verhältnis zwischen den Abchasen und den Georgiern angespannt. Die Abchasen fordern eine Ausgliederung von Georgien, da sie sich durch kultur- und bevölkerungspolitische Maßnahmen wie zum Beispiel die Ersetzung aller abchasischer Städtenamen durch georgische und die Abschaffung des muttersprachlichen Unterrichts, diskriminiert und erniedrigt fühlen.

 

1989 demonstrieren die Abchasen für eine Loslösung von Georgien und die Unterstellung ihrer Autonomen Republik unter Russland. Dabei sterben 19 Menschen durch den Einsatz georgischer Truppen. 1990 verschärfen sich mit dem Regierungseintritt Gamsuchardias die ethnischen Spannungen enorm. Im Jahre 1992 erklärt sich Abchasien selbst für unabhängig.

 

Hierauf folgt der annähernd zwei Jahre dauernde Krieg (ohne wahrhaftigen Sieger) gegen Georgien, bei dem mehr als 10000 Menschen umkommen.    Während der Kämpfe fliehen oder werden hunderttausende Menschen vertrieben.7

 

3.2.3 Politische Situation

 

Der Krieg zwischen Abchasien und Georgien, der 1993 endete, führte viel Leid und Elend herbei. Die Auswirkung dieses Krieges war, dass sowohl georgische Truppen, als auch eine Vielzahl georgischer Zivilisten, die sich während des Krieges des Kriegsverbrechens schuldhaft gemacht hatten, Abchasien verließen.

 

Abchasien erstrebt nach wie vor einen Bund mit Georgien, ohne die interne Selbstbestimmung in allen Fragen zu verlieren. Die Georgier jedoch weigern sich dieses anzunehmen, sie würden nur einen Autonomen Abchasischen Staat innerhalb Georgiens (entrechtet und abhängig von Georgien) gutheißen.

 

 

3.2.4 Infrastruktur

 

Zum Verkehrsnetz Abchasiens lässt sich folgendes anmerken: Die Hauptstraßen sind vorteilhaft mit einer Asphaltdecke versehen, sogar in den ländlichen Gebieten ist das Straßennetz gelungen. Ergänzend besteht der Schienenverkehr, und zwar die transkaukasische Eisenbahn, die sich der Küste entlang fortbewegt. Die Fahrtrichtung beginnt in Aserbaidschan und endet in Moskau.

 

3.2.5 Klima

 

Die kaukasischen Berge bilden einen ausgezeichneten Schutz gegen die kalten Nordwinde. Gleichzeitig steht das Land im Einfluss der warmen und feuchten Südwestbrisen vom Schwarzen Meer. Das Ergebnis ist ein überaus mildes Klima, mit einer Durchschnittstemperatur von 16°-18° C.

 

3.2.6 Flora und Fauna

 

Abchasien verfügt über eine faszinierende vielfältige Pflanzenwelt. In den lauen Vorgebirgen findet man Eichen, Kastanien, Buchs sowie Eiben vor. Das Unterholz ist mit Dornenbüschen und essbaren sowie heilsamen Beeren dicht bedeckt. Darüber hinaus gibt es Dattelpflaumen, welche neben der Nahrung der Kosmetik von Nutzen sind, Granatäpfel und Wallnüsse. Im Januar und Februar kann man Rosen, Orchideen, Veilchen und Alpenveilchen mustern.

 

Zugleich gibt es in Abchasien eine Vielzahl an wilden Tieren: Wölfe, Schakale, Füchse, Otter, Wieseln, Marder, Bären, Fasane, Truthähne, Wildziegen, Rotwild und Schwärme von Bienen, welche einen sehr süßen und wohlschmeckenden Honig erzeugen, der für das Exportgut Abchasiens von großer Bedeutung ist.

 

4 Das Familienleben

 

Die Basis des abchasischen Familienlebens beruht auf der „Förmlichkeit“. Da die Abchasen, sei es binnen der Familie oder in der Gesellschaft Erscheinungsformen von dreisten, ungenierten sowie unfreundlichen Verhaltensmustern als Respektlosigkeit gegenüber Älteren betrachten, streben sie vorwiegend eine respektvolle Erziehung an. Dieses förmliche Familienmodell, das sich durch Ordnung, Harmonie und respektvolle Verbundenheit kennzeichnet, ist vergleichbar mit einer Tugendschule, in der den Kindern gute (wertvolle) Charaktereigenschaften vermittelt werden.8

 

 

4.1 Die Rolle des Mannes (Vaters)

 

Der Vater besitzt die Position des Oberhauptes der Familie. Aufgrund dieser Dominanz der Rolle des Vaters kann man die Struktur abchasischer Familien auch als patriarchal beschreiben. Zwischen ihm und den anderen Familienmitgliedern herrscht eine obligatorische Respektbeziehung. Die Anweisungen des Vaters werden aus Gründen der Wertschätzung und Zuneigung ohne Einwände oder Bedenken ausgeführt.

 

Unter der Gleichberechtigung zwischen Ehemann und Ehefrau verstehen die Abchasen die bestehende wechselseitige Liebe, den Respekt, den sie füreinander aufbringen und das Anteil nehmen an Kummer und Freude sowie Hoffnung des anderen.

 

Die Achtung vor der Frau ist bei den Abchasen äußerst wichtig. Deswegen behält die Frau auch nach der Heirat ihren Mädchennamen bei. Die Ehefrau wird nicht mit ihrem Vornamen, sondern mit dem Herkunftsnamen angeredet, dadurch versucht der Ehemann seine Achtung vor ihr zum Ausdruck zu bringen.

 

In Beisein des Vaters ist es unhöflich und der Sitte zuwider, dass die übrigen Familienmitglieder mit Ausnahme der Mutter und der Tochter ohne seine Zustimmung  Platz nehmen, insofern stehen sie mit dem größten Vergnügen und ehrend solange aufrecht bis der Vater sie zum Sitzen ermuntert. Selbst die Ehefrau setzt sich als Respekterweisung nicht neben ihren Mann hin, ehe sie Mutter geworden ist.

 

Auch wenn der Vater z.B. ein Glas Wasser trinkt, erheben sich sowohl die Mutter, als auch die Tochter, um ihm abermals ihren Respekt zu erzeigen.

 

Das gemeinsame Speisen (mit dem Vater) wäre ebenfalls ein Verstoß gegen die sittlichen Regeln des Familienlebens, aus diesem Grunde zieht sich der Vater ins Wohnzimmer zurück, wo er seine meiste Zeit verbringt und auch alleine sein Essen einnimmt.

 

Ferner ist das ein bisschen distanzierte Verhältnis zwischen Vater und Sohn ähnlich wie die Beziehung  eines Lehrers zu seinem Schüler. Der Sohn wird niemals auf den Schoß genommen, geschweige denn zärtlich liebkost, weil dies als schamloses bzw. entwürdigendes Benehmen angesehen wird. Zudem wird die Gelegenheit sich zu duzen nicht gefördert. Ausdrücke wie „Schätzchen“ oder Verniedlichungen werden in gleicher Weise unerbittlich vermieden. Die Verweigerungen des Vaters bezüglich jeder Art von Liebeskundgebungen gegenüber seines Sohnes bedeutet nicht, dass er ihn nicht gern hat. Im Gegenteil, er liebt und schätzt seine Kinder über alles, er zieht es lediglich vor, seine wahrhaftige und tiefsinnige Liebe in seinem Herzen geborgen zu halten. Durch schmeichlerische Gefühls- oder Liebesäußerungen befürchtet er, seinen Sohn allzu sehr bzw. unnötig zu verweichlichen oder zu verwöhnen. Zu allem Überfluss wäre solch eine Verhaltensweise mit seinem Verständnis von Wohlerzogenheit nicht zu vereinbaren.

 

Allerdings ist das Verhältnis zwischen dem Vater und seiner Tochter durchaus einfühlsamer und vertraulicher, da sie schon aufgrund ihrer zarten, feinen Gestalt etwas  liebe- und schutzbedürftig wirkt. Zugleich sieht er sie als „Gast“ an, weil er weiss, dass sie ihn und die Familie zukünftig durch Heirat verlassen wird. Darüber hinaus fällt es in den Aufgabenbereich des Ehemannes, für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen.9 

 

4.2 Die Rolle der Frau (Mutter)

 

Die Stellung der Ehefrau bzw. Mutter kann man als besonders schätzenswert und ehrenvoll charakterisieren. Sie wird als das zweite Oberhaupt der Familie anerkannt. Ihre Aufgaben beziehen sich vornehmlich darauf, Partnerin des Mannes, Hausfrau, Mutter und Erzieherin der Kinder zu sein. Entsprechend wird die Erziehung der Töchter gemäß dieser Rollen- und Wertvorstellungen vorgenommen.

 

Im Besonderen werden ihre Rechte und grenzenlose Entscheidungs- sowie Handlungsfreiheit in der Haushalt-Führung ehrerbietig behandelt. Vorausgesetzt der Ehemann würde sich in diese wichtigen Angelegenheiten, die der Frau zuteil werden, einmischen, ließe er eine erheblich respektlose Handlungsweise erkennen. Demzufolge verhält er sich bezüglich des Hauswesens sehr reserviert und nennt sie auch des Öfteren als Geste seiner Hochschätzung „unsere Hauswirtin“.

 

Die Mutter ist jenes Mitglied der Familie, dem am meisten Ehrfurcht und Anerkennung zugesprochen wird. Im Unterschied zum Vater, hat sie sowohl zu ihren Söhnen, als auch zu ihren Töchtern eine höchst vertrauliche und herzliche Beziehung. Sie nimmt eine sehr liebevolle und zärtliche Haltung ein. Ihr vertrautes Verhältnis äußert sich durch goldige Kosenamen, die sie den Kindern gewährt.

 

Zuzüglich achtet sie mit großer Aufmerksamkeit darauf, dass die Kinder eine sittsame, anständige Erziehung bekommen und ihre Kleidung jederzeit sauber und ordentlich ist. Darum wird ungeachtet ihrer Liebe dreistes und vorlautes Verhalten der Kinder nicht toleriert.

 

Die abchasische Ehefrau zeichnet sich vor allem durch ihren Respekt und ihre bedingungslose Liebe sowie Verbundenheit aus, die sie ihrem Mann und den Kindern entgegenbringt. Auch sie, spricht aus Respekt ihren Mann nicht mit seinem Vornamen an. Überdies neigt sie für gewöhnlich dazu, voller Geduld auf die Heimkehr ihres Mannes zu warten und keinesfalls vorher schlafen zugehen.

 

Ferner hebt sich die abchasische Ehefrau aufgrund ihrer unbegrenzten Gastfreundlichkeit heraus. Es gehört zu ihrem Aufgabenbereich, die Gäste jederzeit ehrenvoll aufzunehmen und reichlich zu bewirten, auch in Abwesenheit des Ehemannes. Da die Abchasen in Sachen Verpflichtungen äußerst kritisierend und aufmerksam sind, bemüht sich jede Frau ihren Aufgaben mit immenser Sorgfalt und Verantwortung nachzugehen, auf dass sie den Schmähungen anderer ja nicht ausgesetzt wird.10

 

4.3 Die Besonderheiten des jungen Mannes (Sohnes)

 

Sobald der Sohn einer abchasischen Familie das 10. Lebensjahr vollendet, gilt er als junger Mann. Erwartet und gefordert werden tugendhafte Eigenschaften. Es ist selbstverständlich, dass die ethischen Regeln keine Rivalität akzeptieren.

 

Der verantwortungsbewusste Charakter des abchasischen Jünglings lässt sowohl Schwäche, als auch Ungeschicklichkeiten nicht zu. Außerdem verfügt er über ein Schamgefühl und lehnt ein träges sowie steifes Leben prinzipiell ab. Auf gesellschaftlichen Veranstaltungen oder Versammlungen , die eine Art Anstand-Schule repräsentieren, glänzt er durch seine blendende, eindrucksvolle Sprechweise bzw. Diskussion. Er nimmt eine unbeschreiblich würdevolle Erscheinung an. Die Bestimmtheit und Natürlichkeit in seinem Benehmen sind nicht zu übersehen, er tritt sehr selbstsicher auf.

 

Letztendlich sind ihm Eigenschaften wie Furcht oder Kleinmütigkeit absolut fremd.11

 

4.4 Die Besonderheiten des Mädchens (Tochter)

 

Die Tochter ist das zumeist verwöhnte und gleichzeitig wertvollste Glied der Familie, gewissermaßen das Nesthäkchen. Im Gegensatz zu den Söhnen wird sie ohne Ausnahme von sämtlichen Familienangehörigen umschmeichelt. Alle tun ihr Bestes, um die als „Gast“ angesehene Tochter nicht im Geringsten zu kränken oder zu beleidigen, sie beten sie regelrecht an. Zusätzlich könnte man die Tochter als die Arbeitsgefährtin der Mutter darstellen. In jeglichen Arbeitsbereichen scheut sie keine Mühe, ihrer Mutter beizustehen und zu unterstützen. Denn ihr ist auch bewusst, dass die Abchasen die Frauen nicht nach dem Aussehen beurteilen bzw. wertschätzen, sondern nach deren Pflichtgefühl und Fleiß. Demzufolge versucht sie Charaktereigenschaften wie Faulheit und Unbedachtsamkeit zu vermeiden.

 

Die abchasische Tochter genießt , im Vergleich zu türkischen Mädchen, generell eine vollkommene Freiheit. Als selbständige Persönlichkeit ist es ihr freigestellt, mit jedermann Kontakt zu haben; wann immer sie möchte. Auch männliche Personen dürfen ihr einen Besuch abstatten. Während sie ihre Gäste verehrungswürdig empfängt und bedient, sind die Eltern nicht befugt, gegenwärtig zu sein, ansonsten verstößten sie gegen die ethischen Normen. Sowohl die Mutter, als auch der Vater schenken der Tochter ihr volles Vertrauen. Sie wissen, dass die Tochter ihrer Ehre bewusst ist und nichts unternehmen würde, was den Verlust der Familienehre bewirken könnte. Die Ehre einer abchasischen Familie ist wie in türkischen Familien auch, an die sexuelle Enthaltsamkeit und Sittsamkeit der Töchter gebunden.

 

Handlungsweisen wie z.B. die Töchter davon abhalten, sich in verschiedenen Gesellschaften mit jungen Männern zu treffen und sich auszutauschen, betrachten die Abchasen als Freiheitsberaubung.

 

Das abchasische Mädchen fällt durch ihre überaus feine, vornehme Art und Weise auf. Die geselligen Runden, in denen sie mit ihren Freunden/innen zusammenkommt, laufen in einer geistreichen, witzigen sowie höflichen Atmosphäre ab. Oberflächliche, vulgäre Ausdrücke und Benehmen sind in solchen Kreisen unerwünscht. Sowohl die Mädchen, als auch die abchasischen Jungen sind extrem wissbegierig. Aus diesem Grund bilden sie sich fortwährend weiter.12

 

Die Ältesten jedes Stammes sind die Weisen, die bei wichtigen Entscheidungen eine große Rolle spielen. Wenn es z.B. um eine Heirat geht, ist man verpflichtet, sich zunächst mit ihnen zu beraten und  ihre Zustimmung einzuholen.

 

Was die Heirat im Allgemeinen anbelangt, ist es natürlich ehrenwerter, wenn diese unter Abchasen stattfände, hierbei ist jedoch zu betonen, das eine Eheschließung unter Verwandten explizit auszuschließen ist.

 

4 Abchasische Familien in Deutschland

 

Als Anfang der 60 er Jahre ausländische Arbeitnehmer angeworben wurden, waren auch viele Abchasen darunter. Sie galten aufgrund der Migration in die Türkei (nach der Unterwerfung durch die Russen,1864) als türkische Staatsbürger, die sich gleichwohl als abchasische Volksangehörige sehen. Das Hauptmotiv ihrer Auswanderung war die Aussicht auf Arbeit und Verdienst. Dieses wirtschaftliche Motiv war meist mit Zielen für die Zeit nach der Rückkehr ins Heimatland gekoppelt, wie z.B. Kauf von Ackerland, Hausbau usw.). Zu Beginn stellten sie sich vor, einige Jahre in Deutschland zu arbeiten, Geld zu verdienen und anschließend in ihre Heimatländer zurückzukehren. Doch im Laufe der Zeit kam es zu einer Orientierungsänderungen, die Aufenthaltsdauer der Migranten (Abchasen) und ihrer Familien dehnte sich aus. Die anfänglich als selbstverständlich geltende Rückkehr wurde jedenfalls immer wieder verschoben. Auch heute haben sie keine endgültige Entscheidung über Verbleib oder Rückkehr getroffen. Sie lassen die Rückkehr als Alternative offen.

 

5.1 Gründe für einen anhaltenden Aufenthalt

 

Die Gründe für einen dauernden Aufenthalt der Abchasen sind inhaltsreich:

- Sie wurden in den 60 er Jahren von Firmen, die sie angestellt hatten, zum Bleiben aufgefordert.

- Sie haben sich hohe Sparziele zur Absicherung ihrer Existenz im Herkunftsland gesetzt.

- Sie versorgen oftmals Verwandte, die in der Heimat zurückgeblieben sind. Die Gefahr der Arbeitslosigkeit nach der Rückkehr beträfe ganze Familienkreise

- Viele abchasische Kinder, die in Deutschland aufgewachsen sind, wollen nicht zurückkehren, sondern ihre Schul- oder Berufsausbildung hier abschließen.

-  Sie haben sich an die größeren Konsummöglichkeiten, besseren wirtschaftlichen Bedingungen sowie die soziale Absicherung gewöhnt.

 

5.2 Veränderte Rollen innerhalb der Familie

 

Nach der Migration ist bei der Mehrheit der abchasischen Familien eine allmähliche Veränderung festzustellen. Besondere Faktoren der Migrationssituation resümieren diese Veränderung.

 

Durch die Berufstätigkeit der Frau verliert der Mann seine Position als einziger Ernährer. Die traditionelle Aufteilung der Aufgabenbereiche ( häusliche und außerhäusliche Angelegenheiten) wird durchbrochen. Mitunter gehören die familiären Angelegenheiten der Außenwelt, wie z.B. Ämter zur Aufgabe der Frau. Dies kann man in Familien, in denen die Frau besser Deutsch spricht als der Mann, beobachten. Zudem finden sich viele abchasische Kinder in der Aufnahmegesellschaft besser zurecht als ihre Eltern, da sie in der Regel bessere Deutschkenntnisse als diese besitzen.

 

Diese Veränderungen der Rollenstruktur kann zu Rollenkonflikten innerhalb der Familie führen, wie z.B. Autoritätsverlust der Eltern, wenn Kinder als Dolmetscher für die Belange der Familie eingesetzt werden und ihnen somit eine Verantwortung übertragen wird.

 

Ebenso hat der relativ freie Umgang mit der Sexualität in Deutschland viele Eltern verunsichert, da er mit ihren moralischen Wertvorstellungen schwer zu vereinbaren ist.

 

Mit längerer Aufenthaltsdauer hat sich jedoch auch in diesem Bereich eine Anpassung an das Verhalten und die Werte der deutschen Gesellschaft eingestellt. Hierbei lassen sich zwei Denkmuster beobachten. Einige abchasische Mädchen befürworten sexuelle Beziehungen vor der Ehe, fügen aber sofort hinzu, dass dieses für sie selbst nicht in Frage komme. Einige abchasischen Jungen sprechen für sexuelle Freiheiten, verlangen aber zur Heirat die Jungfräulichkeit ihrer Zukünftigen. Das Leben der abchasischen Mädchen der zweiten Generation ist hinsichtlich ihrer Sexualität  von Grenzziehungen durch Traditionen geprägt. Die Erhaltung der Jungfräulichkeit, von der sowohl ihre, als auch die Familienehre abhängig ist, wird heutzutage in ganz seltenen Fällen durchbrochen. Es existieren Abweichungen zwischen der allgemeinen Anschauung und dem persönlichen Verhalten, wobei sich die allgemeine Anschauung an der Kultur der Deutschen orientiert und das persönliche Verhalten an den Ansichten der Eltern bzw. der traditionellen Kultur. Dies deutet auf einen Konflikt hin, der von den Mädchen durch eine Art Balanceakt gelöst wird.

 

Auch bei den Jungen unterscheiden sich allgemeine Anschauung (Mädchen müssen jungfräulich bleiben) und persönliches Verhalten (Auslebung der Sexualität). Sexualität kann also insgesamt als Problemfeld angesehen werden.

 

6 Schlusswort

 

Abschließend möchte ich noch hervorheben, dass es weiterhin etliche und interessante Bereiche bezüglich der abchasischen Kultur und deren Entwicklung   gibt, die ich gerne angeschnitten und näher erläutert hätte, aber dies hätte den Rahmen meiner Hausarbeit, die ohnehin zu lang geraten ist, gesprengt.

 

Demzufolge sollte man, zunächst beobachten, anschließend beschreiben sowie hinterfragen und erklären und dann erst ein Urteil fällen bzw. bewerten!

 

Literaturverzeichnis

 

- Friedrich Bodenstedt, Die Völker des Kaukasus und ihre Freiheitskämpfe gegen die Russen.  Ein Beitrag zur neuesten Geschichte des Orients (Reprint der Ausgabe Frankfurt/London 1848)

 

-  Abhazya Gerçeği,   Kafdağı Yayınları 2,  Ankara, Ekim 1992

 

-  Abchasen - Wer sind sie? (Ein Express-Grundriss)  Suchum-1996

 

-  Abchasien; Abchasischer Kulturverein e.V.

 

- http://www.bundeswehr.de/im_einsatz/unomig/hi.../konflikt.htm

- http://www.georgien.net/Geschichte/Neuzeit/Unabhang3.html

- http://www.hausarbeiten.de/archiv/geschichte/gesch-text653.shtml

- http://home.t-online.de/home/tim.bardenhagen/kaukasus.html

- http://www.marje.net/kultur/xabze/xabze_cay.html

- http://www.marje.net/cografya/harita/hrabzl.jpg

 

  1- Auernheimer, 1995

  2- Harry C. Triandis (1994), Culture and social behaviour. New York Mc Graw Hill

  3- Abchasischer Kulturverein e.V.

  4- Abchasen - Wer sind sie? (Ein Express-Grundriss); Suchum-1996

  5-

  6- http://home.t-online.de/home/tim.bardenhagen/kaukasus.html

  7- Abhazya Gerweäi, Kafdaäx Yayxnlarx 2; Ankara, Ekim 1992

      http://www.georgien.net/Geschichte/Neuzeit/Unabhang3.html

      http://www.hausarbeiten.de/archiv/geschichte/gesch-text653.shtml

      http://home.t-online.de/home/tim.bardenhagen/kaukasus.html

       http://www.bundeswehr.de/im_einsatz/unomig/hi.../konflikt.htm

  8- http://www.marje.net/kultur/xabze/xabze_cay.html

  9- http://www.marje.net/kultur/xabze/xabze_cay.html

10- http://www.marje.net/kultur/xabze/xabze_cay.html

11- http://www.marje.net/kultur/xabze/xabze_cay.html

12- http://www.marje.net/kultur/xabze/xabze_cay.html