Völkerkonflikte in Georgien


Der georgisch-abchasische Konflikt:

Konfliktparteien:

Abchasier und georgische Regierungstruppen

Ursachen:

Im Nordwesten Georgiens besteht seit 1930 die Abchasische Autonome Republik. In diesen Gebietskörperschaften sind die Abchasier eine Minderheit (90 000 von über 500 000). Beim Abschluß des Unionsvertrages von 1922 gehörte Abchasien zu den vier gleichberechtigten Republiken der Transkaukasischen Föderation. Dies bedeutete eine Gleichstellung und spielt für deren Selbstbewußtsein eine wichtige Rolle, ebenso, daß Abchasien im Mittelalter ein unabhängiges Königreich war, das sich mit Georgien vereinte.

Es bestehen auch religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen Abchasiern und Georgiern, da die Abchasier unter osmanischem Einfluß gestanden haben und teilweise islamisiert wurden. Beispielsweise durch die Einführung des georgischen Alphabets oder die Beseitigung des muttersprachlichen Unterrichts verletzten sie das abchasische Nationalbewußtsein. Außerdem klagten die Abchasier die wirtschaftliche Ausbeutung durch Tbilissi an.

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Ziele:

Die Abchasier fordern die Anerkennung der Abchasischen Sprache im Schulsystem und die Aufhebung der wirtschaftlichen Ausbeutung durch Tbilissi.

Lösungsvorschlag:

1978 erließ der sowjetische Ministerrat eine Resolution über die Förderung wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung in Abchasien. Suchumi (Hauptstadt von Abchasien) erhält eine eigene Universität und Fernsehsendungen in abchasischer Sprache wurden gesendet.
 

Weitere Forderungen:

Die Abchasen fordern noch mehr und verlangen die Ausgliederung aus Georgien und die Unterstellung ihrer autonomen Republik unter Russland.
 

Folgen:

Die Georgier kontern mit der Behauptung, Abchasien bilde einen integralen Bestandteil georgischer Nationalgeschichte und einen unverzichtbaren Teil seines historischen Territoriums. In Abchasien lebende Georgier beschweren sich über antigeorgische Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe.

Der Unabhängigkeitskurs Georgiens in der zerfallenden Sowjetunion verstärkt in den Minderheitengebieten die Tendenz zur Lostrennung. Im August 1989 tritt das Gesetz in Kraft, daß in allen Schulen der Unionsrepublik Georgisch als Pflichtfach eingeführt werden muß.

Mit der Regierungseintritt Gamsuchardias verschärfen sich 1990 die interethnischen Spannungen. Im Mai 1991 werden sowjetische Fallschirmjägereinheiten im Absprache mit der abchasischen Regierung nach Suchumi versetzt. Abchasien wird in den innergeorgischen Machtkampf im Winter 1991/92 miteinbezogen, als sich die Anhänger des gestürzten Gamsuchardia in Westgeorgien verschanzen.

1993 gerät Georgien durch eskalierende Kämpfe in Abchasien an den Rand des staatlichen Zusammenbruchs. Durch Eintritt in die GUS und militärische Kooperation mit Rußland bekommt Georgien russische Unterstützung für die Erhaltung der territorialen Integration. Kurz zuvor haben russische militärische Kräfte die abchasische Seite unterstützt. Der abchasische Landesteil geht verloren, doch dies bringt eine Stabilisierung der Lage in Georgien.


Der ossetisch-georgische Konflikt

Konfliktparteien:

Südosseten und Regierungstruppen
 

Ursachen:

Die Osseten, ein iranischsprachiges Volk, die nördlich und südlich der Hauptkette des Zentralkaukasus siedeln, wurden durch die sowjetische Gebietspolitik ein geteiltes Volk.
Das größere Nordosseten wird 1936 zu einer Autonomen Republik, Südosseten wird innerhalb Georgiens 1922 als ein autonomes Gebiet eingerichtet.

Der Konflikt mit Georgien wird ähnlich wie im Falle Abchasiens durch das georgische Unabhängigkeitsbestreben beim Zerfall der Sowjetunion verschärft.

1989 entsteht eine südossetische "Volksfront", die die Wiedervereinigung mit den Nordosseten fordern. Beide Konfliktparteien arbeiten mit Aktionen wie Geiselnahme, Brandstiftungen und Massakern.

Am 20.09.1990 deklarierte Südosseten seine eigene Souveränität und rief eine "Südossetische Sowjetrepublik" aus. Ende 1990 wurde unter Gamsuchardia die Autonomie der Gebietes aufgelöst und seitdem flammt der Konflikt immer wieder in militärischen Konfrontationen und interethnischen Kollisionen auf.
 

Ziele:

Die Südosseten streben einen Zusammenschluß mit dem auf russischem Gebiet liegenden Nordossetie an.


Lösungsvorschlag:

Beide Seiten treten in Friedensverhandlungen ein, die jedoch von den bewaffneten Anhängern Gamsuchardias torpediert werden. Die Truppen des russischen Innenminesteriums räumen im April 1992 ihre Position. Im Mai 1992 vereinbarten Schewardnadse und der Präsident des südossetischen Parlaments nach blutigen Kämpfen zwischen Südosseten und Regierungstruppen einen Waffenstillstand.
 

Folgen:

In diesem Konflikt starben bis dahin 450 Menschen und über 20 000 Georgier flohen in den Süden und viele Südosseten nach Nordossetien.


Quellen:

amnesty international Jahresbericht 1996

Politisches Lexikon GUS, Beck´sche Reihe

Harenberg Lexikon 1993 Aktuell

Informationen zur politischen Bildung, Heft 249

Georgien

Geschichtlicher Zusammenhang:

Die Rote Armee fiel entgegen eines Versprechens im Februar 1921 in Georgien ein und beendete die Unabhängigkeit, weil die Sowjets sagten, in Georgien sei eine innergeorgische bolschewistische Revolution, obwohl die einheimischen Bolschewiki nur geringen Einfluß auf die Republik hatten.

Im August 1924 gab es einen Aufstand gegen die bolschewistische Herrschaft, die Folgen waren 4000 Tote.

Die Zwangskollektivierung und Industrialisierung unter Stalin traf Georgien tief. In einem Vierteljahrhundert (von 1928-1953) wurde Georgien tiefgreifender transformiert als in irgendeinem Abschnitt der 3000-jährigen Geschichte. 80% bäuerliches Land wurde in dieser Zeit in überwiegend urbane, industrielle Gesellschaft verwandelt. Stalin und Berjia wurden durch Mshawanadse abgelöst.

Seine 19-jährige Amtszeit war von der Schattenwirtschaft (enorme private Vermögen, Stag- nation der offiziellen ökonomischen Kennziffern der Republik ) geprägt. 1972 kam Schewardnadse an die Macht und unternahm eine Säuberung des Partei- und Verwaltungsapparates.

In der Reformperiode unter Gorbatschow und dem sowjetischen Außenminister Schewardnadse bildete sich in Georgien eine resolute Bewegung für die staatliche Unabhängigkeit, dabei zersplitterten die politischen Kräfte, und es entstand eine Rivalität zwischen den Gruppierungen. Das gespannte innenpolitische Klima wurde durch Nationalitätenprobleme angeheizt, alle denkbaren Konflikttypen überlagerten sich in dieser Republik.

Trotz der Zersplitterung wurden die politischen Kräfte in ihrem Unabhängigkeitsbestreben durch die Unterdrückung einer friedlichen Demonstration durch die Sowjets (mit 20 Toten und 3000 Verletzten) vereint.

Bei den ersten freien Parlamentswahlen bekam der "Runder Tisch: Freies Georgien " mit 54% die Stimmenmehrheit unter dem Führer Gamsuchardia. In den folgenden Monaten unterdrückte Gamsuchardia die Opposition und schränkte die neugewonnene Pressefreiheit ein und behandelte jede Kritik an seinem Regierungsstil als Majestätsbeleidigung und Vaterlandsverrat.

Durch Gesetzesänderungen erweiterte er seine Machtbefugnisse. Repressiv und konfliktverschärfend war sein Kurs gegenüber ethnischer Minderheiten. Er rüttelt an der Autonomie der Abscharen und der Osseten und trägt dazu bei, daß die Minderheiten in den Unabhängigkeitsprozeß nicht mit einbezogen werden. Schließlich treibt er Teile der Regierung in die Opposition (Premierminister Tengis Sigua tritt zurück und der Außenminister Koshtaria wird entlassen). Diese verbündeten sich mit der Opposition (Tengis Kitowani) und unternehmen den Sturz Gamsuchardias und somit ist Gamsuchardias Regierung am 2. Januar 1992 abgesetzt, es wird ein Militärrat unter der Führung von Tengis Kitowani.

Gamsuchardia flieht nach Armenien und verbündet sich mit dem Führer und planen den "Marsch auf Tbilissi". Die Anhänger Gamsuchardias behaupten einige ihrer militärischen Positionen und halten den Konflikt in Südossetien am Leben, da sie die Verhandlungen zwischen Osseten und der neuen Regierung stören. Es entstanden bürgerkriegsähnliche Zustände, in der die Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung daniederliegt.

Schewardnadse bietet sich als Vermittler für die "nationale Versöhnung" an und tritt am 10. März 1992 an die Spitze des Staatsrates. Er eröffnet Georgien den Weg aus der Isolation, doch bald wird offensichtlich, daß auch er keine effektive politische und militärische Kontrolle über das in verschiedene Kräfte zersplitterte Land hat.
 

Die interethnischen Spannungen der Republik haben historische, territoriale und demographische Hintergründe. Die Georgier stellen nur knapp 70% der Gesamtbevölkerung. Das Staatsterritorium besteht zu 22% aus Gebietskörperschaften mit Titularnationen nichtgeorgischer Nationalität oder anderer religiöser Zuordnung.

Dies bestärkte das Bestreben nach einem ethnisch homogeneren Nationalstaat. Ein Argument ist, daß die autonomisierten Minderheitengebiete Schöpfungen der stalinistischen Nationalitätenpolitik seien. Offensichtlich ist, daß die Georgier ihre Aufgeklärtheit und Weltoffenheit verloren haben und den ethnizentrischen Charakter angenommen haben.


Bearbeiter: Heike Dürr
Datei: georgien/georgie2.htm